Kennen Sie die „Service-Agentur demografischer Wandel“? Wenn nicht, dann brauchen Sie sich auch nicht um nähere Informationen bemühen. Diese ganz neue Einrichtung, getragen vom Landesentwicklungsministerium und der Stiftung Schloß Ettersberg, ist eine jener Alibi-Veranstaltungen, mit der die politische Führung unseres Freistaates Aktivitäten vortäuschen will. In Wirklichkeit wird der beklagenswerten Entwicklung des Bevölkerungsschwundes nur hinterhergehechelt.
Zunächst die Sprechblase von Landesentwicklungsminister Christian Carius: „Der demografische Wandel ist unvermeidlich. Aber wir wollen ihn gemeinsam erfolgreich gestalten. Zu dieser strategischen Landesentwicklung zählt auch die neue Serviceagentur demografischer Wandel. Wir werden mit diesem Angebot den Kommunen, der Wirtschaft, den Vereinen und Verbänden mit Informationen und Hilfestellungen zur Seite stehen.“
Dann der unvermeidliche Hinweis auf die Wirklichkeit im Landes: „Über 72 Prozent der Thüringer Städte und Gemeinden sind hinsichtlich ihrer Bevölkerungsentwicklung geprägt von Schrumpfung, Alterung und/oder Abwanderung. Mit der Serviceagentur demografischer Wandel wollen wir Anpassungsstrategien entwickeln, die es den Kommunen ermöglicht, diesen Prozess erfolgreich zu gestalten. Denn der demografische Wandel wird zunehmend Infrastrukturmaßnahmen massiv beeinflussen“, so Carius.
Dann der Hinweis auf das Tätigkeitsfeld der Agentur. Man werde unter anderem Vorträge in Schulen sowie Seminaren und Tagungen für Entscheidungsträger organisieren.
Richtig ist, daß die Bevölkerung durch Schrumpfung, Alterung und vor allem durch Abwanderung massiv zurückgeht. Immerhin nennt die Service-Agentur auch Zahlen: Lebten 1990 rund 2,68 Millionen Menschen in Thüringen, waren es Ende 2010 nur noch 2,25 Millionen und werden es 2030 voraussichtlich nur noch 1,84 Millionen sein. Man kann eine derartige Entwicklung einfach hinnehmen. Man kann aber auch gegensteuern. Bei Letzerem ist jedoch die Politik, sind fundierte Ideen gefragt. Seminare und Tagungen, wie sie die Serviceagentur durchführen will, reichen da nicht aus. Das produziert nur Kosten für sinnlose Gesprächsrunden und Broschüren. Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen liefert genau und zuverlässig das statistische Landesamt.
Die offizielle Thüringer Politik scheint sich für das Hinnehmen des Bevölkerungsschwundes entschieden zu haben. Wie anders ist sonst die Bemerkung von Carius zu verstehen, daß Anpassungsstrategien entwickelt werden müssen. Derartige Anpassungsstrategien würden ja nur die Rückentwicklung von Wirtschaft und Infrastruktur bedeuten, im weitesten Sinne. Weniger Polizei, weniger Schulen, weniger öffentliche Einrichtungen.
Die Abwanderung ist der Hauptgrund des Schrumpfungsprozesses. Der Abwanderung folgt der Alterungsprozeß. Thüringer, die den Arbeitsplätzen hinterherreisen müssen, werden wenig Neigung zur Gründung von Familien zeigen. Mit der Schrumpfung der Bevölkerung wird auch eine wirtschaftliche Abwärtsspirale in Gang gesetzt. Entvölkert sich das Land, dann wird in Industrie, Gewerbe und Handel immer weniger Anlaß zu Investitionen, zur Schaffung von Arbeitsplätzen, sein. Wirtschaft lebt und entwickelt sich durch Menschen, nicht durch Börsen.
Es kann deshalb nur Aufgabe einer zukunftsorientierten Politik in Thüringen sein, den Prozeß der Schrumpfung umzukehren. Die Ideenbörse sollte Christian Carius in seinem Ministerium ansiedeln, allerdings mit einer klaren Zielvorstellung: Umkehr des Schrumpfungsprozesses.
Jedoch ist allein die Thüringer NPD der Auffassung, daß gegengesteuert werden muß statt sich der demographischen Katastrophe anzupassen!
Frank Schwerdt
Landesvorsitzender