Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter hat vom Förderkreis für das Holocaust-Denkmal den Preis für Zivilcourage erhalten, für sein Engagement gegen Rechts. Der Vorgang belegt wieder einmal den Mißbrauch des Wortes Zivilcourage. „Zivilcouragiert handelt, wer bereit ist, trotz drohender Nachteile für die eigene Person, als Einzelner einzutreten für die Wahrung humaner und demokratischer Werte, für die Integrität und die legitimen, kollektiven, primär nicht-materiellen Interessen vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst.“ So kann man es bei Wikipedia nachlesen.
Nun kann Herr Schröter sicher nicht behaupten, daß er durch sein „Engagement gegen Rechts“ Nachteile erleidet. Im Gegenteil. Ihm kann der Beifall aller derjenigen sicher sein, die zum aktuellen Machtgefüge in Deutschland gehören. Und das sind eine ganze Menge. Alle etablierten Parteien, die beiden christlichen Kirchen, andere Religionsgemeinschaften, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Medien, um nur einige zu nennen. Unter diesen Umständen „Zivilcourage“ zu zeigen, dürfte kein Problem sein.
Der Mann soll zu DDR-Zeiten der damaligen Obrigkeit die Stirn gezeigt haben. Das mag sein. Nur jetzt ist er selbst Obrigkeit und verfügt als Oberbürgermeister einer Großstadt über erhebliche Macht. Die mißbraucht er gründlich gegen die aktuelle Opposition. Und er ist bei der Wahl seiner Mittel und seiner Mitstreiter nicht zimperlich. Als im Sommer 2009 die NPD in Jena eine Mahnwache gegen Moscheen in der Stadt durchführte, standen auf der anderen Seite Hunderte von Krawallbrüdern, die laut, pöbelhaft und gewalttätig waren. Einer der größten Schreihälse mitten drin war eben jener „zivilcouragierte“ Albrecht Schröter.
Schröter war zusammen mit seinem Studienfreund Lothar König im Februar 2010 dabei, als die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Dresdener Bomben-Holcausts erfolgreich blockiert wurde. Diese Blockade-Aktionen verliefen so gewalttätig, daß die Dresdener Staatsanwaltschaft unter anderem auch gegen Schröter-Freund König ermittelt.
Der Mann ist aber auch ein Problem für den demokratischen Rechtsstaat. Der Frankfurter Verfassungsrechtler Heinrich Amadeus Wolff hat darauf hingewiesen, daß Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit gerade auch als Schutz von Minderheiten, auch extremer Gesinnung, angelegt seien.
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichtes Gera hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 den „zivilcouragierten“ Albrecht Schröter auch direkt vorgenommen. „Die Kammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß auch die Antragsgegnerin [die Stadt Jena] wie jede Behörde als Teil der vollziehenden Gewalt gemäß Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden ist. Sie hat als Versammlungsbehörde insbesondere ihrer Pflicht zur Neutralität und zu einer versammlungsfreundlichen Verfahrensweise zu genügen. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat bereits mehrfach …. betont, daß der Straftatbestand des § 339 des Strafgesetzbuches erfüllt sein kann, wenn ein Amtsträger vorsätzlich gegen diese Bindungen verstößt.
Zu diesen Hinweisen sieht sich die Kammer veranlaßt, da das bisherige Verhalten der Antragsgegnerin [der Stadt Jena] durchgreifende Zweifel daran weckt, ob sie bislang gegenüber der Antragstellerin [der NPD] ihre Verpflichtung zur Neutralität gewahrt hat. Diese Zweifel resultieren zum einen aus der Prüfung der vorliegend im Streit stehenden offensichtlich rechts- und verfassungswidrigen Verbotsverfügung und dem bisherigen rechtswidrigen Verhalten der Versammlungsbehörde gegenüber früheren Versammlungen der Antragstellerin [der NPD]. Zum anderen wird der Oberbürgermeister [Albrecht Schröter] der Antragsgegnerin [der Stadt Jena], der die Verbotsverfügung eigenhändig unterzeichnet hat und damit als maßgeblicher Entscheidungsträger nach außen in Erscheinung getreten ist, in dieser Funktion in der Ostthüringer Zeitung mit folgenden Ausführungen zitiert: Er werde als OB jedenfalls nicht zusehen, wie Neonazis die Stadt Jena als ihr Aufmarschgebiet nutzen. Falls das Verbot in Jena nicht durchkomme, gelte laut OB das, was Jenas Stadtrat noch vor der Sommerpause beschlossen hat. In dem Fall sind alle demokratischen Kräfte zur Gegenaktion aufgerufen. Auch ich bin dann dabei.
In der Thüringer Landeszeitung sind folgende Ausführungen des Oberbürgermeisters wiedergegeben:
Es sei offenbar in dem kleinen Örtchen Wunsiedel leichter, einen NPD-Aufmarsch zu verbieten als in anderen Orten. Albrecht Schröter hofft auf neue Sachlagen in den nächsten Wochen. Wenn wir irgendwelche neuen Erkenntnisse bekommen, werden wir es versuchen, die Veranstaltung der NPD in Jena am 18. August zu untersagen.
Sollten diese Ausführungen vom Oberbürgermeister tatsächlich so getätigt worden seien, worauf es im vorliegenden Fall mit Blick auf die obigen Ausführungen des Gerichtes nicht mehr ankommt, so scheint die Antragsgegnerin [die Stadt Jena] erneut nicht einmal den Anschein einer neutralen und unvoreingenommenen Prüfung der Zulässigkeit der angemeldeten Versammlung vermitteln zu wollen.“
Diese Ausführungen haben den „Zivilcouragierten“ sichtlich getroffen. Sie wurden ihm mehrmals auch öffentlich auf Versammlungen vorgehalten. Er reagierte immer allergisch. Das ist auch gewollt und gut so. Und deshalb werden sie an dieser Stelle noch einmal veröffentlicht. Sonst meint der Mann, sein eigenes Recht zusammenzimmern zu können. An dem praktischen Handeln des Herrn Schröter und deren rechtlicher Würdigung wird jedenfalls das Auseinanderdriften zwischen dem Anspruch, den demokratischen Rechtsstaat zu vertreten und der Wirklichkeit deutlich.
Frank Schwerdt